Brigitte Döbert

Brigitte Döbert, geboren 1959, lebt in Berlin. Sie überträgt seit über zwanzig Jahren Belletristik, darunter »Die Tutoren« von Bora Ćosić und das Werk von Miljenko Jergović, aus verschiedenen exjugoslawischen Staaten ins Deutsche und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Straelener Übersetzerpreis der Kunststiftung NRW (2016) sowie dem Preis der Leipziger Buchmesse (2016).

 

Interview mit Brigitte Döbert zu ihrer Übersetzung von Bora Ćosićs Die Tutoren (2015)

Brigitte, wie lange hast Du an diesem großen Werk übersetzt und wie fühlt es sich jetzt an, es fertig vor Dir zu haben?

Wenn ich alles zusammenrechne, komme ich wahrscheinlich auf zweieinhalb Jahre. Normalerweise bin ich, wenn ich das Übersetzungsmanuskript fertig abgegeben habe, längst schon in einem nächsten oder übernächsten Projekt, wenn das Buch erscheint. Das ist jetzt auch so, aber diesmal war ich tatsächlich aufgeregt, als ich das erste Exemplar bekommen habe. Das hat mir noch mal gezeigt, wie stark es mich in Anspruch genommen und innerlich gefordert hat.

Liegt das am Umfang von annähernd 800 Seiten, am besonderen Schwierigkeitsgrad des Originals mit seinen vielen Wortspielen, parodistischen Anspielungen, unterschiedlichen Textsorten, in denen die Familienchronik mit der Geschichte der Region über einen Zeitraum von 200 Jahren erzählt wird?

Mit dem Umfang hat es überhaupt nichts zu tun. Es hat etwas mit dem Spielerischen zu tun, dem leichtsinnigen Umgang mit schwierigen Themen – leichtsinnig in dem Sinne, wie ein Jongleur mit Bällen wirft. Die Herausforderung war, das habe ich auch in dem Begleitband zu dem Roman geschrieben, einen hochliterarischen Text, der aber auf der Oberflächenebene Seifenoperncharakter hat, adäquat zu übersetzen.

Was meinst Du mit Seifenoper?

Der Text spielt mit trivialen Genres, die Mischung zwischen trivial und hochliterarisch, das ist das Charakteristische dieses Werks. Und das ist fast unmöglich zu übersetzen, weil das Triviale, das Alberne, das Umgangssprachliche sehr regionalen Eigengesetzlichkeiten unterliegt.

Wie bist Du damit umgegangen?

Eines der ganz großen Probleme war, dass Ćosić bei seiner Leserschaft Kenntnisse von historischen Zusammenhängen voraussetzt, auf die ich im Deutschen nicht zählen kann und die ich in der Mehrzahl der Fälle selbst erst einmal recherchieren musste. Dabei stand ich vor riesigen Hürden, weil die Fakten so gebrochen, verballhornt, verdreht und verklausuliert angesprochen werden.
Witzigerweise habe ich einen der schwierigsten Teile im Urlaub gemacht, wo ich kaum recherchieren konnte. Das war eine der gereimten Passagen, die in dem Buch vorkommen. Wahrscheinlich gerade deswegen, weil ich dadurch in einen Fluss geraten konnte, ohne den man nicht reimen und kalauern kann, und es hat mich dann wirklich erstaunt, wie nah man am Original bleiben kann, obwohl man durch die Reime gezwungen ist, ganz andere Ausdrücke zu verwenden.

Was steht als Nächstes für Dich an?

Normalerweise wäre meine Arbeit jetzt ja abgeschlossen, aber in diesem Fall werde ich eine ganze Reihe von Lesungen entweder selbst moderieren oder als Gesprächspartnerin mit auf dem Podium sitzen. Die Buchpremiere zu den Tutoren findet am 1. Oktober im Literarischen Colloquium Berlin statt. Der Tatort-Schauspieler Miroslav Nemec wird Passagen aus dem Roman lesen und ich moderiere. Darauf freue ich mich schon.

Brigitte Döbert, herzlichen Dank für das Gespräch.