Andrzej Bart

© Elzbieta Lempp

Andrzej Bart

Andrzej Bart, geboren 1951, ist Filmschaffender und einer der bedeutendsten polnischen Schriftsteller der Gegenwart. Sein Debüt Rien ne va plus wurde mit dem renommierten Kościelski-Preis ausgezeichnet. Sein Roman Die Fliegenfängerfabrik war für den NIKE-Preis nominiert. Die Verfilmung seiner Novelle Knochenpalast war unter dem Titel »Rewers« Polens Beitrag für den Oscar 2009.

»Andrzej Bart schreibt mit magischer Kraft und unwiderstehlichem Sog.«
Gazeta Wyborcza

»Andrzej Bart ist der neue Star der polnischen Literatur.«
Marta Kijowska, Neue Zürcher Zeitung


Deutschlandfunk-Interview mit Andrzej Bart über seinen Roman
Die Fliegenfängerfabrik - von Marta Kijowska
Auszug:

Andrzej Bart war vierzig Jahre alt, als er das Buch publizierte, das ihm erstmals die Aufmerksamkeit der Kritik einbrachte. Es hieß Rien ne va plus und erzählte von einem Gemälde, das innerhalb von zweihundert Jahren so oft den Besitzer wechselt, dass es dadurch Zeuge aller Schlüsselmomente der neueren polnischen Geschichte wird. Die Kritiker waren dermaßen beeindruckt, dass sie den Namen Andrzej Bart für das Pseudonym eines etablierten Autors hielten. Erst als er leibhaftig erschien, um einen Preis entgegenzunehmen, waren alle Zweifel zerstreut. Das war genau vor zwanzig Jahren. Seitdem hat Bart fünf weitere Romane geschrieben, und jedes Mal hat die Geschichte dabei eine zentrale Rolle gespielt. Allerdings besteht er darauf, sie auf eine ganz eigene Weise zu definieren.

Andrzej Bart: »Ich beschäftige mich in meinen Büchern mit der Geschichte, man könnte sogar meinen, ich schreibe historische Romane. Doch Letzteres trifft nicht ganz zu. Ich benutze die Geschichte nur als eine Art Kostüm. Ob es Rien ne va plus, Die Fliegenfängerfabrik oder ein anderes Buch ist - ich erzähle jedes Mal von mir und der Realität, die ich kenne. Ich kleide aber meine Figuren in historische Kostüme, damit das, was ich beschreibe, interessanter wirkt als die Welt vor dem Fenster. Diese Welt gefällt mir nämlich nicht besonders. In den zweitausend oder fünftausend Jahren der Vergangenheit finde ich viel mehr Material. Und ich finde dort einen Spiegel, den ich dem heutigen Leser vorhalten kann.«

Die Vergangenheit, in die Andrzej Bart in der Fliegenfängerfabrik eintaucht, liegt etwa siebzig Jahre zurück. Und der Mann, den er hier zu seinem Hauptprotagonisten macht, ist eine der umstrittensten Gestalten dieser Zeit: der Vorsitzende des Judenrates im Ghetto von Lodz, Chaim Rumkowski - von den Ghettoinsassen »König Chaim der Erste« oder »Chaim der Schreckliche« genannt. Ein Emporkömmling, dem die Macht dermaßen zu Kopf gestiegen war, dass er sich wie ein absoluter Herrscher gab. Aber auch ein genialer Organisator, der das Ghetto in eine perfekt funktionierende Maschinerie verwandelte und so einige Tausend Menschen vor der Vernichtung bewahrte. Und um dessen eigenen Tod bis heute seltsame Gerüchte kursieren.

Andrzej Bart: »Der Name Rumkowski tauchte in meinem Leben zum ersten Mal auf, als ich fünf oder sechs Jahre alt war. Damals erzählten sich die Erwachsenen seine Geschichte beziehungsweise die schwarze Legende, die mit ihm verbunden war, nur im Flüsterton - laut wurde nicht darüber gesprochen. Für ein Kind war diese Legende natürlich faszinierend. Sie besagt nämlich, dass Rumkowski aus dem Ghetto nach Auschwitz kam und dort von jüdischen Häftlingen, die aus Lodz stammten und einem Sonderkommando angehörten, zuerst respektvoll im Lager herumgeführt und dann bei lebendigem Leibe in einen Krematoriumsofen geworfen wurde. Bei einem Kind hinterlässt so etwas eine tiefe Narbe im Gehirn. Denn es kann sich vorstellen, dass eine böse Hexe etwas mit einem Ofen zu tun hat, aber nicht ein echter, lebendiger Mensch. Diese Geschichte hat mich also stark geprägt und all die vielen Jahre begleitet.«


Das gesamte Interview vom 11. Juli 2011 finden Sie HIER.

Von Andrzej Bart erschienen

Andrzej Bart, Die FliegenfängerfabrikAndrzej Bart, Knochenpalast